Gleich zwei Gerichte mussten sich in zwei Instanzen mit der Frage beschäftigen, ob einem Arbeitnehmer eine Lohnfortzahlung zusteht, wenn er seine Arbeitsunfähigkeit durch Selbstverletzung herbeigeführt hat. Die Richter bejahten dies.
Hintergrund war die Klage eines Angestellten eines Baumarkts. Er ärgerte sich über eine Arbeitsanweisung so sehr, dass er mindestens dreimal mit der Hand auf ein Verkaufsschild schlug. Dieses war zwar aus einem weichen Hohlkammerschaumstoff, wurde jedoch von einer Holzstrebe gehalten. Schmerzhafte Konsequenz daraus war ein Bruch der Hand. Er war für rund fünf Wochen arbeitsunfähig erkrankt.
Für diesen Zeitraum zahlte der Arbeitgeber weniger Lohn. Er begründete dies mit dem Verschuldensbeitrag seines Angestellten. Zu Unrecht, entschieden die Gerichte. Der Arbeitnehmer hat in diesem Fall einen Anspruch auf Entgeltfortzahlung.
Zur Begründung führen die Richter aus, dass der Baumarktangestellte sich bei seiner Verletzungshandlung lediglich leichtfertig - nicht aber vorsätzlich, grob fahrlässig oder besonders leichtfertig - verhalten hat. Die Verletzungsgefahr war für ihn weder vorherseh- noch vorstellbar gewesen. Zwar hätte dem Angestellten bei verständiger Betrachtung das Verletzungsrisiko ob der Schläge auf ein durch eine harte Holzstrebe gehaltenes Verkaufsschild auffallen können. Allerdings befand er sich in einem emotionalen Ausnahmezustand, der ihm die Kontrolle seiner Handlungen unmöglich machte. Auch das Argument, dass der Angestellte bereits bei seinem ersten Schlag den Widerstand der Holzstrebe hätte spüren müssen und er deswegen seine Handlung aufgeben konnte, überzeugte die Richter nicht. Mit diesem Argument werde unterstellt, dass bereits beim ersten Schlag die Holzstrebe auch getroffen wurde, und zwar ohne den Bruch herbeizuführen. Dies ist jedoch nicht nachgewiesen.
Der Arbeitgeber musste den gekürzten Lohn nachzahlen.
Hessisches Landesarbeitsgericht, Urteil vom 23.07.2013 - 4 Sa 617/13 - (Arbeitsgericht Offenbach - 5 Ca 58/13)